Mittwoch, 28.02.2018. Dass ich die Natur liebe, weiß ich. Wie sehr ich mich über ein paar grüne Pflanzen freuen kann, war mir bis jetzt allerdings nicht bewusst.
Tag 2 startet noch leicht Jetlag geplagt mit dem Verlangen nach Ruhe. Nachdem das Hotelpersonal um 9 Uhr anruft und fragt, ob wir zum Frühstück kommen wollen und kurz darauf auch der Room Service zum Putzen vor der Tür steht, ist an tiefen, erholsamen Schlaf nicht mehr wirklich zu denken. Also suchen wir uns ein Restaurant heraus, das zur Steigerung des Entspannungswertes nach Möglichkeit auch noch ein paar Topfblumen herumstehen hat. So landen wir schließlich im Delima Garden Café. Es liegt so versteckt in einem Innenhof, dass wir erst einmal vorbeilaufen.
Der Weg durch den schmalen, von Gebetsfahnen gerahmten Gang scheint bereits eine Einladung in eine andere Welt zu sein. Tatsächlich empfängt uns eine kleine Oase der Ruhe, die das wuselige Straßentreiben vorübergehend vergessen lässt. Wir beobachten zwei Katzen, die sich wild fauchend auf den umliegenden Dächern zwischen trockenen, dornigen Ästen jagen. Über uns strahlen Blüten, deren Namen ich nicht kenne, in Rot- und Orangetönen. Ab und zu weht ein kühler Luftzug durch die Reihen der kleinen runden Tische. Wir werden gefragt woher wir kommen und was wir in Nepal machen – niemals aufdringlich, immer ehrlich interessiert und zurückhaltend. Wir nutzen die Zeit nach dem Essen, um bereits die erste Tour herauszusuchen. Da wir nur wenig über Nepals Kultur und Religion wissen, haben wir uns dafür entschieden einen Guide zu engagieren, der uns die Geschichte des Landes näher bringen kann. Wir werden mit ihm die vier wichtigsten Tempelanlagen in Kathmandu besichtigen und währenddessen hoffentlich viel Neues lernen. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, wie sehr einem der Kopf vor lauter Abgasen, Information und Sonne schwirren kann.
Wir verwerfen unseren Plan den Durbar Square zu besuchen, da er Teil der gebuchten Tour sein wird und springen gleich zum nächsten Programmpunkt: dem Garden of Dreams, umgeben von einer hohen Backsteinmauer am Rande von Thamel. Nachdem wir den Touristen-Eintrittspreis entrichtet haben, betreten wir den 1920 erbauten, einstigen privaten Garten des Kaisers Sumsher, der mittlerweile nur noch die Hälfte seiner ursprünglichen Größe umfasst. Groß genug jedoch, um sich gedanklich zwischen Bäumen, Beeten, Springbrunnen und kleinen Teichen zu verlieren. Für jede der sechs nepalesischen Jahreszeiten* wurde ein Pavillon im neo-klassizistischen Stil erbaut. Früh-Herbst, Spät-Herbst und Winter fehlen heutzutage. Sie konnten während der Renovierungsarbeiten, die von 2000-2007 unter Mithilfe der österreichischen Regierung stattfanden, leider nicht gerettet werden.
Auf den zahlreichen Bänken des Gartens sitzen flüsternde Pärchen, man sonnt sich auf den Grasflächen des alten Amphitheaters, junge Mädchen posieren für Erinnerungsbilder, richten sich die Haare, nehmen neue Posen ein. Im Kaiser Café wird Kuchen gereicht und über die erhöhte Terrasse der Blick über die Gartenanlage bei einem Nachmittagskaffee genossen. Vorbild für die Gebäude des Geländes war die Architektur im Zeitalter Eduards VII. Ich kann verstehen, was den Kaiser zu dieser Bauweise inspiriert hat, wenn ich die Säulen, Rundbögen und Verzierungen über den Fenstern betrachte. Am besten gefallen mir allerdings die Teile, deren weiß getünchte Farbe abblättert und sich graugrün verfärbt. Die augenscheinlichen Makel brechen mit der Monumentalität und Dominanz der Steinwände. Sie verleihen ihnen eine Zerbrechlichkeit, die sich wunderbar in die Natürlichkeit der Pflanzenwelt einfügt, die sie umgibt.
Wir nehmen uns Zeit, schlendern umher und finden schließlich eine kleine schattige Bank, leicht zurückgesetzt hinter ein paar Bäumen. Ein großer schwarzer Vogel flattert aufgeregt fort, als wir näher kommen.
Wenn ich die Touristen und das Hupen des Verkehrs ausblende, kann ich einen Hauch Dschungelabenteuer fühlen. Ich betrachte die braunen, schlanken Wurzeln, die sich lianenartig um die Bäume winden. Im Hintergrund ragen Palmen in den Himmel, ein Trompetenbaum leuchtet in der Sonne. Direkt neben uns rankt über mehrere Meter hinweg ein dickes Band orangefarbener Blüten zwischen zwei Ästen. Mehrere Streifenhörnchen flitzen pfeilschnell die Stämme entlang, tauchen urplötzlich auf und verschwinden ebenso schnell hinter dem nächsten Blatt. In der Ferne brüllt ein Affe. Die Vögel zwitschern. Chip, Chap und ihre Freunde fiepen, während sie sich gegenseitig durchs Unterholz jagen. Meine Fantasie schickt mich auf die Reise.
Umgeben von all den Tierlauten schließe ich die Augen und freue mich hier zu sein.
*Trockene Phasen wechseln sich hier mit denen des Monsunregens ab, wodurch sich keine klassischen Jahreszeiten ergeben, wie wir sie beispielsweise aus Deutschland kennen.
…man kann´s förmlich „erlesen“ wie wohl Du Dich fühlst…
Kannst du nicht endlich ein Buch schreiben?
Vielleicht 🙂
Du musst unter die Reisejournalisten gehen :-))
Ja, bitte ein Buuuch 🙂